Aus der Corona-Krise darf keine Chancen-Krise werden

CL

Corona ist noch nicht besiegt. Die Reiserückkehrer aus zahlreichen Risikogebieten und die Coronaausbrüche in verschiedenen landwirtschaftlichen und Fleischverarbeitungsbetrieben haben uns in den vergangenen Wochen vor Augen geführt, dass die Pandemie nach wie vor eine ernstzunehmende Bedrohung darstellt. Für uns alle bedeutet das, wachsam und nicht nachlässig zu werden, sich verantwortungsvoll zu verhalten und auch auf manche Freuden oder Bequemlichkeiten zu verzichten, wo es notwendig ist.

Gerade, weil neue pauschale Eingriffe in Freiheits- und Grundrechte verhindert werden müssen, ist es umso wichtiger, Schutzmaßnahmen wie die Maskenpflicht einzuhalten. Natürlich bedeuten auch die aktuellen Beschränkungen einen realen Eingriff in unsere Freiheiten und müssen tagtäglich hinterfragt werden. Mit den herben und zum Ende hin auch nicht mehr verhältnismäßigen Eingriffen zu Beginn der Pandemie sind sie aber nicht mehr vergleichbar. Ausgehend von unserem heutigen Kenntnisstand bilden sie ein zielgerichtetes und mildes Mittel, um eine neue Infektionswelle zu verhindern. Freiheit entbindet nicht von Verantwortung. Wer fahrlässig oder gar vorsätzlich die Hygiene- und Abstandsregeln verletzt, setzt sich und andere großen Gefahren aus.

Corona erfordert weiterhin unsere vollkommene Aufmerksamkeit. Umso besorgniserregender ist es, dass sich die Aufmerksamkeit der Bundesregierung für die Bedrohungslage durch das Virus anscheinend vorzeitig in die Sommerpause verabschiedet hat. Erst kurz vor Ende der Feriensaison wurde eine vom Bundesgesundheitsminister über Coronatests für Reiserückkehrer nachgedacht, obwohl absehbar gewesen war, dass nicht in allen Urlaubsregionen dieselben Hygienemaßstäbe angewendet werden wie bei uns in Deutschland. Für unsere Bundestagsfraktion und mich ist klar, dass eine einheitliche und vorausschauende Teststrategie eine wesentliche Voraussetzung ist, um die Ausbreitung des Virus unter Kontrolle zu halten. Obligatorische Tests für Reiserückkehrer aus Risikogebieten sind daher unumgänglich und hätten deutlich früher verordnet und bereitgestellt werden müssen. Hier muss allerdings auf Fairness geachtet werden: Wer wissentlich und ohne Not eine Reise in ein erklärtes Risikogebiet antritt, kann die Kosten für einen Coronatest nicht der Allgemeinheit aufbürden. Das ist für mich eine Frage der Eigenverantwortung.

Unsere Aufmerksamkeit darf aber nicht mehr nur den gesundheitlichen Schäden des Virus gelten. Aus einer medizinischen Krise droht, eine Chancenkrise für unsere Gesellschaft zu werden.

Bund, Länder und Gemeinden müssen gemeinsam dafür sorgen, dass es auch bei steigenden Zahlen einen verantwortbaren Schulbetrieb gibt. Leider sind nicht überall sinnvolle Corona-Konzepte für den Unterricht entwickelt worden und auch die digitalen Defizite bleiben nach wie vor ungelöst. Wir brauchen dringend eine digitale Unterrichtspflicht des Staates, damit die Krise in diesem Schuljahr nicht mehr zulasten von Kindern und Jugendlichen geht, die Unterrichtsausfall und mangelnde digitale Ausstattung nicht durch private Nachhilfe kompensieren können. Die daraus entstehende Spaltung der Gesellschaft muss unbedingt verhindert werden.

Zudem müssen wir unser Augenmerk gleichsam auf den Wiederaufbau unserer Wirtschaft legen. Unternehmen steuern auf die Insolvenz zu, Menschen fürchten um ihren Arbeitsplatz, Wirtschaftswissenschaftler errechnen den stärksten Wirtschaftseinbruch seit dem Zweiten Weltkrieg. Jetzt wäre der Zeitpunkt für nachhaltige Reformen und Entlastungen, um unseren Wohlstand - und damit einen funktionsfähigen Staat und ein belastbares Gesundheits- und Sozialsystem - auch in Zukunft sichern zu können. Stattdessen setzt die Große Koalition auf Einmaleffekte wie die bürokratische Mehrwertsteuersenkung. In atemberaubendem Tempo werden Schuldenberge angehäuft und kommenden Generationen aufgebürdet, um den wirtschaftlichen Einbruch notdürftig zu kaschieren. Hier brauchen wir ein Umdenken. Statt Gießkannenpolitik auf Pump sind zielgerichtete und dauerhafte Reformen notwendig, die durch einen Abbau von Bürokratie, die Reduzierung steuerlicher Belastungen und fokussierter Investitionen in Bildung und Forschung neue Dynamik freisetzen und unserer Gesellschaft auch in den kommenden Jahrzehnten Aufstieg und Chancen sichern.