Wir sind die einzige Partei der Werte der Mitte

Christian Lindner
FOCUS Online

Lesedauer: 13 Minuten

 

Die CDU hat mit Armin Laschet stark verloren, die SPD ist abgeschlagen. Ist die FDP die letzte Partei der Mitte?

Lindner: Vielleicht sind wir die einzige Partei, die die Werte der so genannten Mitte noch vertritt.

Was bedeutet Mitte denn für Sie?

Lindner: Für mich ist das die Betonung von Freiheit und Toleranz, der Vorrang privaten Handelns und der Respekt vor Eigentum wie Leistung eines jeden.

Und das hat die CDU verlernt?

Lindner: Friedrich Merz denkt öffentlich über Steuererhöhungen nach. Armin Laschet hat von den Grünen die Idee von Schuldentöpfen neben dem Staatshaushalt adoptiert. Und der CDU-Ostbeauftragte lässt sich mit pauschalen Herabwürdigungen der Ostdeutschen zitieren. Ich sage freundlich: die CDU ist auf Orientierungssuche.

Und dann bleibt nur die FDP? Manch einer behauptet ja, die Grünen seien die neue Mitte.

Lindner: Die Grünen erklären selbst, sie seien eine linke Partei. Deshalb haben wir eine große Verantwortung, den Wählerinnen und Wählern der Mitte ein gutes Angebot zu machen.

Annalena Baerbock sagt über die Grünen, sie seien so verrückt wie ein Bausparvertrag…

Lindner: Die Grünen vergleichen sich mit Bausparverträgen. Olaf Scholz erklärt, seine Rücklagen lägen auf dem Sparbuch. Das sagt zunächst ganz viel darüber aus, wie aktuell die wirtschaftliche Kompetenz dieser Parteien ist. Jenseits der Metapher von Frau Baerbock werden sich die Menschen die konkreten Vorschläge ansehen. Ein Bausparvertrag ist nicht mehr so gut verzinst wie früher, aber im Unterschied zum Programm der Grünen kommt immerhin noch etwas Positives dabei raus. Das kann man bei den ganzen Steuererhöhungen, Umverteilungen, Verboten und Enteignungen im Programmentwurf der Grünen nicht sagen.

Nennen Sie doch einmal die fünf Alleinstellungsmerkmale der FDP.

Lindner: Keine Partei war so sensibel bei der Einschränkung von Bürgerrechten während der Pandemie wie die FDP. Ausgangssperren haben wir immer für unverhältnismäßig und ungeeignet gehalten. Wir verstehen auch nicht unter sozialer Gerechtigkeit die Einführung eines Grundeinkommens wie die Grünen, das ja am Ende auch die Menschen bezahlen müssen, die vielleicht wenig verdienen, aber Steuern bezahlen. Wir stehen für Aufstieg durch Bildung und wollen deshalb in die Stadtteile mit besonderem Förderbedarf auch besonders viele Pädagogen schicken. Als einzige Partei schließen wir Steuererhöhungen für die Beschäftigten aus und für diejenigen, die Verantwortung tragen für Jobs. Wir halten den Klimaschutz für eine Menschheitsaufgabe, wollen den Menschen aber nicht vorschreiben, wie sie ihr Leben zu führen haben. Der US-Klimabeauftragte John Kerry spricht von der Dekarbonisierung als einer technologischen Aufgabe, mit der ein neuer globaler Wachstumszyklus eingeleitet wird. Das ist begeisternd. So sehen wir das auch. Und wir sind für eine offene Gesellschaft, die mit Meinungsvielfalt tolerant umgeht, die Positionen nicht cancelt, schon gar nicht an Universitäten.

Die Grünen wollen die Einwanderung offensiv fördern, auch über das Asylrecht. Würde die FDP hier mitgehen?

Lindner: Irgendwie würde ich lieber über die Ideen der FDP sprechen, wie wir Deutschland moderner, digitaler und freier machen. Aber ich sage Ihnen auch gerne etwas dazu. Das Einwanderungskonzept der Grünen überzeugt mich nicht. Das war 2017 auch einer der vielen Gründe, warum Jamaika nicht zustande kam. Die Grünen wollen ungesteuerte Einwanderung erleichtern und gleichzeitig die Sozialtransfers deutlich ausbauen. Das schafft einen falschen Anreiz. Deshalb plädiere ich für ein anderes Konzept. Wir sind ein Einwanderungsland. Wir brauchen fleißige Hände und kluge Köpfe, die nach Deutschland kommen. Und wir haben eine humanitäre Verpflichtung beispielsweise für politisch Verfolgte, etwa den von Lukaschenko gekidnappten Blogger Roman Protassewitsch. Wir müssen jedoch klar unterscheiden, ob wir Menschen in unseren Arbeitsmarkt einladen oder ob wir solidarisch sind, weil jemand bedürftig ist. Oder ob jemand weder qualifiziert noch bedroht ist, weshalb eine Einwanderung dann versagt werden kann.

Brauchen wir eine Obergrenze für Einwanderung?

Lindner: Das ist das Vokabular der CSU vor der Wende von Markus Söder. Wenn es nach der FDP geht, brauchen wir Kontrolle einerseits und einen Anreiz für qualifizierte Einwanderung andererseits. Wir haben schließlich einen großen Fachkräftemangel. Die Wahrheit aber ist: Im Moment sind wir unattraktiv für Einwanderer, für Menschen, die sich etwas aufbauen wollen. Kein Staat, außer Belgien, knöpft einer Facharbeiterin oder einem Krankenpfleger über die Steuern so viel Geld ab wie Deutschland. Unser Staat macht es ihnen damit unendlich schwer, im Leben voranzukommen. Unser Bildungssystem ist nicht wettbewerbsfähig. Wer auswandert, überlegt sich doch drei Mal, ob er mit seinen Kindern nach Deutschland kommt. Und wer sieht, dass die AfD Wahlerfolge erzielt, der fragt sich doch: Ist das wirklich die tolerante Gesellschaft, in die ich mit meiner Familie einwandern will? Diese Debatte müssen wir führen. Ein Land nämlich, das für fleißige Hände und kluge Köpfe der Welt attraktiv ist, das ist auch lebenswert für die, die schon lange hier leben.

Grüne und CSU wollen eine Solardach-Pflicht für Neubauten – halten sie das für sinnvoll?

Lindner: In Deutschland wird das Bauen immer teurer, für viele Menschen ist das Eigenheim zu einem unerfüllbaren Wunsch geworden. Und der Haupt-Preistreiber ist der Staat. Deshalb sollten wir mit verpflichtenden Solardächern erst einmal auf öffentlichen Gebäuden anfangen.

Städte wie Amsterdam lassen schon ab 2025 keine Verbrenner-Autos mehr herein. Wäre das nicht zeitgemäß auch für deutsche Städte?

Lindner: Das erklären Sie mal einer Altenpflegerin, die täglich mit ihrem kleinen Auto vom Land in die Stadt fährt, um älteren Menschen zu helfen. Besser als dieses Verbot wäre es, Anreize zu schaffen, CO2 zu sparen. Wer CO2 ausstößt, kauft sich dafür einen Erlaubnisschein. Den Handel mit CO2-Erlaubnisscheinen sollten wir ergänzen um eine Klimadividende: Was der Staat einnimmt, gibt er als Scheck über das Finanzamt an seine Bürger zurück. Im Übrigen kann auch der alte VW Golf mit synthetischen Kraftstoffen klimafreundlich gefahren werden. Das müssen wir nur auch politisch zulassen und nicht einseitig bloß auf den batterieelektrischen Antrieb setzen.

Hat das Corona-Management die Blaupause geliefert für die Klimarettung, nach dem Motto: man hat ja gesehen was alles geht, wenn nur die Not groß genug ist?

Lindner: Wer das will, sollte es in den nächsten 120 Tagen bitte laut sagen, damit die Bürgerinnen und Bürger am 26. September darüber abstimmen können. Die Pandemiepolitik ist keine Blaupause, sondern ein abschreckendes Beispiel. Ältere Menschen wurden isoliert, Kinder konnten nicht in die Schule gehen, Frauen wurden in ihrem Bemühen um Gleichstellung um Jahre zurückgeworfen, es standen Arbeitsplätze auf dem Spiel – es kam zu enormen sozialen Härten. Das darf bei der Klimapolitik nicht passieren. Es geht auch anders.

Haben Sie ein Beispiel dafür?

Lindner: Zwei große deutsche Konzerne schlagen nun vor, den größten Energieverbraucher Deutschlands, einen Chemiepark in Rheinland-Pfalz, klimaneutral zu machen. Und zwar, indem sie vor der Küste, ohne öffentliches Geld dafür zu wollen, Windkraft produzieren. Das Einzige, was sie sich wünschen, sind schnelle Genehmigungen und, dass die Fläche, die sie dafür brauchen, nicht erst nach 2030 zur Verfügung gestellt wird. Wem es ums Klima geht, der muss diese Wünsche erfüllen. Ein weiteres Beispiel: Airbus arbeitet an einem Null-Emissions-Flugzeug, das es ab 2035 geben soll. Mit Wasserstoff CO2-neutrale Flüge zu ermöglichen, kann uns das Reisen auch in Zukunft ermöglichen – und das ohne einseitig nur auf teure neue Bahnstrecken setzen zu müssen.

Wäre das Gegenstück zu einer Frauenquote in DAX-Vorständen eine Quote für Männer an Supermarkt-Kassen oder in Care-Berufen?

Lindner: Nein, aber mich besorgt, dass wir immer noch klassische Frauen- und Männerberufe haben. Das ist doch aus der Zeit gefallen und eine der großen Aufgaben unseres Bildungssystems. Mädchen können genauso Ingenieure werden, wie Jungs. Auf der anderen Seite muss jungen Männern nahegelegt werden, dass ein Job in sozialen Berufen, wie der Altenpflege zum großen persönlichen Gewinn werden kann.

Spricht die FDP denn gerne über Soziales?

Lindner: Enorm gerne sogar. Wir verstehen unter „Soziales“ aber nicht die große Umverteilung in unserem Land. Wir verstehen darunter die Realisierung von mehr Chancen für mehr Menschen. Für uns heißt Sozialpolitik vor allem Familien- und Bildungspolitik.

Also Chancengleichheit für Kinder und Jugendliche?

Lindner: Nein, das gilt für alle Altersgruppen. Wir brauchen auch mehr Gerechtigkeit am Arbeitsmarkt. Ich halte es für skandalös, dass der wahre Spitzensteuersatz in Deutschland 80 Prozent beträgt. Das ist nämlich das, was einem Hartz-IV-Empfänger abgezogen wird, wenn er mehr als 100 Euro im Minijob nebenbei verdient. So schaffen wir keine Anreize für die Menschen zurück in den Arbeitsmarkt zu finden.

Was ist mit Renten-, Kranken- und Pflegeversicherungen? Die steuern in den kommenden Jahren auf riesige Defizite zu. Sie versprechen keine Steuererhöhungen. Gilt das auch für die Sozialversicherungsbeiträge?

Lindner: Die von der CDU-geführten Regierungen haben in der Tat riesige Versprechungen und Standards während der Boom-Jahre beschlossen, die nicht nachhaltig finanziert sind. Viele Grüße an Jens Spahn, der seiner Generation da keinen guten Dienst erwiesen hat. Da kommt ein großer Kraftakt in der alternden Gesellschaft auf uns alle zu. Unser Ziel muss aber sein, dass die Quote von 40 Prozent nicht überschritten wird. Sonst würden wir damit die Geringverdiener belasten, die zwar wenig Lohnsteuer zahlen, aber immer die vollen Sozialabgaben tragen. Außerdem würde das den Faktor Arbeit in Deutschland verteuern und damit die internationale Wettbewerbsfähigkeit einschränken.

Wie sollen die finanziellen Löcher dann gestopft werden, wenn nicht über Leistungseinkürzungen?

Lindner: Wie bisher tritt ja der Staatshaushalt mit Steuermitteln ein. Das geht aber nicht bis in alle Ewigkeit mit steigendem Volumen. Mein Rat: Wir sollten zunächst auf zusätzlichen Staatskonsum, auf immer weitere Leistungen, Standards und Versprechungen verzichten, bis wir die bisherigen Verpflichtungen des Sozialstaats nachhaltig und ohne Überlastung der Enkel-Generationen finanziert haben. Das müsste leistbar sein, weil auch unser bisheriges Niveau weltweit zur Spitze zählt.

Hilft es, wenn die Menschen länger arbeiten?

Lindner: Viele wollen länger arbeiten. Nicht jeder kann es. Eine Individualisierung der Lebensarbeitszeit kann hier ein kluges Mittel sein. Beispielsweise könnten die Menschen je nach Beruf früher in Rente gehen, aber dafür neben der Rente noch ohne Abschläge in Teilzeit etwas verdienen.

Thema Steuererhöhungen: Sie haben auf dem Parteitag ziemlich klar gemacht: Mit der FDP gibt es keine höhere Belastung der Einkommen der Beschäftigten. Bedeutet das auch, dass die FDP keine Koalition, die Steuern auf Einkommen und für Unternehmen erhöht, eingehen wird?

Lindner: Es steht jeder Partei im Wahlkampf frei, für das zu werben, was sie für richtig hält. Nach der Wahl werden dann Mehrheiten gebildet. Wenn jemand unsere Partei zu einer Mehrheitsbildung einlädt, dann muss jeder wissen, was mit der FDP geht, was die FDP will, wo wir kompromissfähig sind und wo nicht.

Heißt: Die FDP hält ihr Wahlversprechen auch in möglichen Sondierungsgesprächen und lässt sich in keinem Szenario auf Steuererhöhungen ein? Auch nicht, wenn Grüne und SPD zu einer Ampel-Koalition einladen?

Lindner: Auf unser Wort ist Verlass. Wer das nicht glaubt, kann Frau Merkel nach den Erfahrungen der Jamaika-Sondierungen von 2017 befragen. Ich halte aber generell Formen der Ampel für ein höchst unwahrscheinliches Gesprächsformat nach der Wahl. Das ist ein Ablenkungsmanöver für Grün-Rot-Rot. Frau Baerbock sagt dazu ja nichts Klares. Ansonsten gehe ich davon aus, dass Grüne und SPD diese schädliche Symbolforderung gegenüber der FDP gar nicht erst erheben würden. Nach einer Wirtschaftskrise sollte man die Menschen nicht zusätzlich belasten, sondern private Investitionen und die Bildung von neuen Rücklagen eher stärken. Wir müssen doch dafür sorgen, dass die Wirtschaft neue Technologie für den Klimaschutz bezahlen kann und dass neue Jobs entstehen.

Was kann Armin Laschet, was Markus Söder nicht kann?

Lindner: Ich vergleiche die beiden nicht. Armin Laschet ist ein Integrator und hat bewiesen, dass er für eine faire Zusammenarbeit sorgen kann. Sowohl in einer Koalition als auch zwischen den unterschiedlichen Strömungen in einer Partei. Außerdem muss man bei Armin Laschet nicht mit 180-Grad-Wenden rechnen. Ich schätze ihn als Verhandlungspartner.

Braucht der Langweiler Laschet einen FDP-Turbo?

Lindner: Armin Laschet ist kein Langweiler. Das mit dem Turbo stimmt aber trotzdem.

Bis zum September kann sich noch einiges tun. Sonntag ist zunächst die Wahl in Sachsen-Anhalt. Für die FDP könnte es nach zehn Jahren außerparlamentarischer Opposition dieses Mal nicht nur für den Landtag, sondern gleich für die Regierung reichen. Lydia Hüskens spricht von einer Alternative zur AfD. Was meint sie damit?

Lindner: Es gibt einen harten Kern von AfD-Unterstützern, die anti-liberal sind, Ressentiments schüren und völkische wie rassistische Ideen vertreten. Die kann man nur bekämpfen. Ich weiß aber aus vielen Gesprächen mit Menschen aus Ostdeutschland, dass es auch viele Menschen gibt, die heimatlos geworden sind.

Was meinen Sie mit heimatlos?

Lindner: Das sind Menschen, die die Freiheitseinschränkungen während der Pandemie beklagt haben, die unter Bürokratismus ächzen oder sich fragen, warum der Staat bei wesentlichen Themen wie Infrastruktur und Sicherheit nicht so handlungsfähig ist, wie er sein müsste. Es sind Menschen, die Probleme bei der Integration beobachten und aber nicht erkennen, dass über diese Fragen in der Alltagspolitik diskutiert wird. Diese Menschen sehen dann ihr Heil darin, die AfD zu wählen.

Sie sind gerade auf dem Weg nach Sachsen-Anhalt. Was sagen Sie denen, wenn Sie gleich auf dem Marktplatz stehen?

Lindner: Man sollte nicht die Partei von Björn Höcke stärken, sondern die Partei von Hans-Dietrich Genscher. Der Austritt aus der Europäischen Union oder Ressentiments gegenüber Minderheiten und anderen Kulturen schadet nicht nur der Liberalität, sondern auch der wirtschaftlichen Entwicklung in ihrem Bundesland.

Können Sie sich erklären, warum die AfD gerade dort so stark ist?

Lindner: Wir sollten uns im politischen Berlin hüten, herablassend auf Ostdeutschland zu schauen. Dort hat es oft genug Vernachlässigungen des ländlichen Raums gegeben. Die wirtschaftlichen Perspektiven sind längst nicht so, wie sie sein sollten. Natürlich gibt es einen eingemauerten Teil an AfD-Wählern, die wir nicht mehr erreichen. Aber es so zu machen wie Herr Wanderwitz von der CDU und einen großen Teil der ostdeutschen Bevölkerung einfach aufzugeben, halte ich für falsch. Man muss die Diskussion mit den Menschen suchen und ihnen Alternativen zur AfD bieten.

Ist Reiner Haseloff ein guter Ministerpräsident?

Lindner: Reiner Haseloff hat sinngemäß gesagt, dass in der Politik Charakter und Überzeugung keine Rolle spielen, sondern Umfragen. Ich finde, es ist genau umgekehrt.

Dementsprechend ein schwieriger Koalitionspartner für die FDP?

Lindner: Es gibt niemals einfache Koalitionspartner.

Teile der CDU beklagen, die Kenia-Koalition mit SPD und Grünen zwinge die CDU zu linker Politik und stärke so die AfD. Was sagen Sie dazu?

Lindner: In Sachsen-Anhalt könnte es jetzt ein Modell geben, in dem die Union stärkste Partei ist und die FDP die Grünen als Koalitionspartner ersetzt. Ich habe den Eindruck, das könnte viele Menschen in Sachsen-Anhalt motivieren, uns zu wählen.

Sie selbst haben sich außerordentlich im Wahlkampf, auch vor Ort, engagiert. Könnte Sachsen-Anhalt für die Bundestagswahl wegweisend sein?

Lindner: So wichtig ich die Wahl in Sachsen-Anhalt finde, glaube ich nicht, dass das eine Testwahl für den Bund ist.

Damit sind wir wieder bei der Bundestagswahl. Jetzt heißt es oft: Wir würden Angela Merkel noch vermissen? Werden Sie sie auch vermissen?

Lindner: Wir haben uns 16 Jahre an Frau Merkel gewöhnt. Das wird für uns alle ein Neuanfang sein. Historiker werden die Verdienste von Frau Merkel beurteilen. Diese Gesamtbilanz ziehe ich aber nicht. Dafür bin ich gar nicht objektiv genug.

Darauf würden wir wetten. Frau Merkel hat die FDP doch im Unterschied zu Armin Laschet nie verstanden.

Lindner: Ich weiß nicht, ob nie. Es gab unterschiedliche Phasen. 2005 etwa hat Frau Merkel eine Wahl mit einem sehr liberalen Programm bestritten. Daraus hat sie wohl mitgenommen, dass ein Reformwille auch immer angreifbar macht. Dementsprechend hat sich ihr politisches Handeln verändert.

Drei schnelle Fragen zum Schluss. Wenn die Union endlich ein Wahlprogramm hat, dann prüft die FDP dieses auf…?

Lindner: … den Reformwillen und die Frage, welche klaren Zusagen es enthält und wo es wachsweich ist.

Wenn die SPD den Mindestlohn nochmal erhöhen will, dann antworten Sie…?

Lindner: … dass wir am besten das Verfahren bei den unabhängigen Experten einer Kommission lassen. Der Lohn sollte keine Wahlkampffrage sein. Es geht darum, den Menschen Jobs zu verschaffen und nicht der SPD Stimmen.

Wenn die Grünen die Kurzstreckenflüge abschaffen wollen, dann sagen Sie…?

Lindner: … dass wir eher über emissionsarmes Fliegen sprechen sollten, weil man nach Mallorca schlecht laufen kann.