Wir fördern die finanzielle Bildung im Land.
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In den letzten Tagen ist deutlich geworden: So wie der Haushalt geplant wurde, scheint es nicht zu gehen. Sind Sie frustriert?
Nein. Es war klar, dass noch Arbeit vor uns liegt. Mir ist wichtig, dass wir bei Bildung, Bundeswehr, Sicherheit, Infrastruktur und Digitalisierung mehr investieren. Das werden wir auf Rekordniveau tun. Ich will auch die Bürgerinnen und Bürger sowie die Betriebe steuerlich entlasten. Das planen wir im Umfang von 23 Milliarden Euro in den nächsten beiden Jahren. Gleichzeitig müssen wir die Schuldenregeln der Verfassung achten. Übrigens empfiehlt es sich auch aus ökonomischen Gründen, nicht immer höhere Schulden zu machen. Ich möchte das Geld der Steuerzahler anders einsetzen, als Milliarden für Zinsen zu zahlen.
Haben Sie im Urlaub denn abgeschaltet oder eigentlich die ganze Zeit hin- und hergerechnet, wie es klappen könnte mit dem Haushalt?
Im Urlaub habe ich schon etwas Abstand gewonnen. Der hilft oft. Die Optionen sind ja schon länger bekannt. Aber die Vorstellungen in der Koalition unterscheiden sich. Es gibt in jedem Fall noch Klärungs- und Entscheidungsbedarf, bis der Bundestag den Haushalt Ende November planmäßig beschließt. Insbesondere gibt es die Ergebnisse der Prüfaufträge für die Vorschläge, die aus dem Kanzleramt kamen. Aus denen ziehen wir Konsequenzen.
Sie meinen die Vorschläge, überschüssige Kredite der KfW-Bank zu verwenden und statt Zuschüsse womöglich Darlehen an Bahn und Autobahn GmbH zu leisten. Zwei Gutachten haben Zweifel geäußert. Jetzt soll die Lücke im Haushalt weiter fünf Milliarden Euro betragen. Können Sie das mal bitte vorrechnen?
Nach bisherigem Stand hatten wir noch eine Minderausgabe von 17 Milliarden Euro. Diese sollten wir auf 8 bis 9 Milliarden Euro reduzieren. Das klingt für manche vielleicht überraschend. Aber man kann in der Staatspraxis davon ausgehen, dass etwa zwei Prozent der geplanten Haushaltsmittel übrig bleiben, weil sich Vorhaben anders entwickeln. Die Aufgabe ist also, noch acht bis neun Milliarden Euro zu erwirtschaften. Für mich ist dafür gut vorstellbar, dass wir Zuschüsse an die Deutsche Bahn in Höhe von 3,6 Milliarden Euro in Eigenkapital oder Darlehen umwandeln. Somit reduziert sich der noch bestehende Handlungsbedarf auf gut fünf Milliarden Euro.
Und die drei Ideen sind endgültig ad acta gelegt?
Die Verwendung von nicht genutzten Mitteln bei der KfW ist verfassungswidrig, weil es sich um Notlagenkredite gehandelt hat. Das wird nicht weiterverfolgt. Bei den beiden anderen Prüfaufträgen, Darlehen an Deutschen Bahn und Autobahn GmbH zu geben, hängt ihre Verfassungsmäßigkeit von der Ausgestaltung ab. Es darf kein versteckter Zuschuss sein. Sprich, es braucht Zins und Tilgung. Bei der Autobahn GmbH müsste man ein ganz neues Modell erstellen, da sie keine Einnahmen zur Rückzahlung hat. Hier besteht Skepsis. Bei der Bahn liegt es anders, da sie bereits Einnahmen hat. Allerdings stellt sich dort bei einem Darlehen die Frage der Wirtschaftlichkeit. Deswegen habe ich die Frage aufgeworfen, ob man der Bahn nicht besser zusätzliches Eigenkapital zur Verfügung stellt – denn das müsse sie nicht zurückzahlen.
Könnte man das Eigenkapital auch noch weiter erhöhen?
Irgendwann erreicht man Grenzen. Beispielsweise müssen wir das europäische Recht beachten. Außerdem muss die Bahn auf das Eigenkapital auch eine Rendite erwirtschaften.
Die letzten Tage haben es gezeigt, die Ampel streitet wieder öffentlich, obwohl man sich das Gegenteil so fest vorgenommen hatte. Hätte man nicht lieber erst eine Lösung suchen sollen und sie gemeinsam mit den Gutachten-Ergebnissen präsentieren sollen?
Eine transparente Prüfung ist verabredet und angekündigt gewesen. Außerdem hat der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages Einsicht in die Gutachten erbeten.
Der Schlagabtausch über Interviews hätte trotzdem nicht sein müssen, oder? Der negative Eindruck in der Bevölkerung bleibt ja hängen.
Daran habe ich mich nicht beteiligt. Ich rate zu einer sachlichen Diskussion.
Sie hatten die Finanzierungsideen aus dem Kanzleramt als „teilweise riskant“ bezeichnet. Gleichzeitig haben Sie sich auf einen Haushaltsentwurf eingelassen, der nur funktioniert, wenn die ebenfalls verabschiedete Wachstumsinitiative so wirkt, wie erhofft. Ist das nicht auch riskant?
Es gibt einen Unterschied zwischen Fragen des Verfassungsrechts und Prognosen zur wirtschaftlichen Entwicklung. Auf der Basis eines Koalitionskompromisses hatte ich die Verantwortung für ein Grundsatzurteil zur Schuldenbremse aus Karlsruhe. Umso sorgfältiger muss man abwägen. Das aber unsere Wachstumsinitiative Optimismus bei den Staatseinnahmen begründet, halte ich für richtig.
Ist Optimismus eine gute Strategie für solide Haushaltspolitik?
Der Wachstumseffekt wurde von den Experten des Wirtschaftsministeriums errechnet. Zukünftige Steuereinnahmen müssen wir immer abschätzen.
Dennoch wackeln einige Maßnahmen aus der Wachstumsinitiative schon jetzt. Nach der starken Gegenreaktion beispielsweise auf den Steuerrabatt bei ausländischen Fachkräften dürfte der doch vom Tisch sein, oder?
Darüber werden wir mit den Arbeitgebern sprechen. Für mich ist aber entscheidend, dass uns insgesamt der Einstieg in eine Wirtschaftswende gelingt. Wir haben unter anderem steuerliche Anreize für Investitionen und Forschung, Bürokratieabbau bei den Lieferketten, Reformen der Energiepolitik und mehr Anforderungen beim Bürgergeld geplant. Das wird die Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Weitere Schritten werden folgen müssen.
Die Hoffnung ist also groß, dass die Wirtschaft so angekurbelt wird, dass auch künftige Vorhaben finanzierbar sind. In der mittelfristigen Finanzplanung klaffen auch noch einige große Löcher, besonders 2028 wird zum Schicksalsjahr mit einem jetzt ausgelobten Handlungsbedarf von über 30 Milliarden Euro. Ist das verantwortungsvolle Politik?
Über den zukünftigen Weg unseres Landes werden die Bürgerinnen und Bürger kommendes Jahr urteilen. Es steht eine Richtungsentscheidung an. Andere setzen auf höhere Steuern und mehr Schulden. Ich bin überzeugt, durch strukturelle Reformen für Wirtschaft und im Sozialstaat die nötigen Mittel für unsere Zukunftsaufgaben gewinnen zu können. Wir brauchen schlicht wieder eine Wachstumsdynamik und die mehr Anerkennung von Leistung und Risikobereitschaft.
Sie könnten auch schon jetzt noch mehr machen. An Teilen des Bürgergelds nachzuschrauben, darüber scheint relative Einigkeit zu herrschen. Aber was ist mit den Hinzuverdienstgrenzen, die mehr Arbeiten und aus dem Bezug Kommen oft unattraktiv machen?
Ich bin prinzipiell dafür. Hier liegt ein Schlüssel, um auch dem Gerechtigkeitsverständnis Genüge zu tun. Die Menschen wollen sehen, dass sich Arbeit lohnt und dass diejenigen, die mehr arbeiten, einen Unterschied haben. Wenn wir aber im bisherigen System nur die Zuverdienstgrenzen ändern, würden plötzlich viel Menschen mehr Sozialtransfers erhalten. Ich halte es gesellschaftspolitisch nicht für sinnvoll, bis tief in die Mittelschicht die staatliche Umverteilung auszudehnen. Abgesehen davon kostet das viel Steuergeld. Deshalb müssen wir hier grundsätzlicher ran. Wir sind da am Anfang von Beratungen, weil es unterschiedliche Ansätze gibt.
Unterschiedliche Einschätzungen gibt es auch beim Thema Steuererhöhungen. Sie schließen das „für die arbeitende Mitte“ aus. Wer ist das für Sie?
Menschen, die in unserem Land arbeiten.
Unabhängig vom Verdienst?
Ja. Wenn wir uns international vergleichen, dann zahlt hierzulande niemand zu wenig. Im Gegenteil, wir gehören zur Weltspitze. Wir werden die Belastung senken müssen, wenn wir wettbewerbsfähiger und fairer werden wollen.
Steuererhöhungen also nicht, einige Reformen sind aber weiterhin auf Ihrer Agenda.
Richtig, zum Beispiel die Reform in der privaten Altersvorsorge. Ich möchte dazu das Angebot eines Altersvorsorge-Depot schaffen. Als Alternative zu Riester sollen Interessierte die Möglichkeit erhalten, selbst zu entscheiden, in was sie zur Vorsorge investieren wollen. Dafür soll es dieselben Zulagen und steuerlichen Förderungen geben wie bei Riesterverträgen. Das wäre ein Sprung nach vorne, weil wir mehr Attraktivität, höhere Verzinsung und mehr Wahlfreiheit bieten werden.
Das ist ja schon ein kniffliges Thema in Deutschland. Vor Altersvorsorge scheuen sich viele, und erst recht vor dem Kapitalmarkt. Ist das ein strukturelles Problem?
Ja, wir erleben eine große Skepsis gegenüber dem Kapitalmarkt in vielen Teilen unserer Gesellschaft. Die aktuellen Kursverluste bestätigen viele in ihren Befürchtungen, die sich immer anschließenden Aufwärtsbewegungen gehen dann aber an den Skeptikern auch vorbei. In den vergangenen fünf Jahren hat sich die Lage zwar etwas verbessert, aber eine Stärkung des Aktiensparens tut dennoch Not. Deshalb fördern wir die finanzielle Bildung im Land, übrigens.
Und durch dieses Angebot des Staats eines geförderten Depots ändert sich viel?
Das ist ein Beitrag. Dahinter steckt auch ein gesellschaftspolitischer Auftrag. Ich jedenfalls möchte gerne, dass die Schere zwischen den Vermögenden in Deutschland und denen, die kein Vermögen haben, kleiner wird. Und wie kann man das schaffen? Nicht durch die Einführung einer Vermögenssteuer. Sondern dadurch, dass mehr Menschen auch mit geringerem Einkommen von den Aktienmärkten profitieren. Und dadurch, dass wir die Hürde reduzieren, irgendwann in der eigenen Wohnung oder dem eigenen Haus zu wohnen.
Auch Ökonomen sehen in der staatlichen Förderung von Altersvorsorgeaufbau und Immobilienerwerb einen Schlüssel, um die Vermögensungleichheit in Deutschland zu verringern. Wie könnte Letzteres noch gehen?
Wir haben im Koalitionsvertrag verabredet, dass wir einen Freibetrag bei der Grunderwerbssteuer ermöglichen wollen. Aufgrund der teuren Preise ist die selbstgenutzte Immobilie zu einem Luxus geworden, für viele ein nicht erfüllbarer Traum. Der Staat sollte das nicht noch schwerer machen, wenn in einigen Bundesländern bis zu 6,5 Prozent Grunderwerbssteuer fällig werden. Womöglich ist das genau der Betrag, der dann bei einer Bankfinanzierung fehlt. Wir sind dazu regelmäßig mit den Ländern im Gespräch, dass wir das noch möglichst in dieser Wahlperiode umgesetzt bekommen.
Auch noch umsetzen wollen Sie eventuell einige Ideen der Arbeitsgruppen zur Einkommens- und Unternehmenssteuer. Die Ergebnisse haben Sie als Urlaubslektüre überreicht bekommen. Und, alles gelesen?
Klar. Im Finanzministerium läuft bereits ein Auswertungsprozess. Ich warte noch auf das Feedback aus den Ländern, von Verbänden und Interessenvertretern. Danach kann man entscheiden, was umgesetzt wird. Einiges wären ja weitgehende Veränderungen.
Wie eine Arbeitstagepauschale, die Pendeln und Homeoffice zusammenfasst, das Streichen von haushaltsnahen Dienstleistungen oder auch eine neue automatische Rentenabzugssteuer. Irgendetwas dabei, das Sie kategorisch ausschließen?
Für mich gilt: Eine Steuerreform darf nicht zu einer Belastung bei Bürgerinnen und Bürgern und Betrieben führen. Sondern es soll eine Entlastung sein, sowohl in bürokratischer als auch finanzieller Hinsicht. Es käme also auf ein Gesamtpaket an. Und dafür ist es noch zu früh. Noch sind keine weiteren Stellungnahmen eingegangen von anderen, die ihre diesbezügliche „Urlaubslektüre“ abgeschlossen haben.
Apropos. Sie hatten gerade Urlaub, vielen steht er noch bevor. Was empfehlen Sie denn als Lektüre für Strand und Balkon abseits von Steurreform-Vorschlägen?
„Das gespaltene Haus“ von Manfred Berg über die Polarisierung der amerikanischen Gesellschaft. Das war zumindest meine Urlaubslektüre.