Mehr Freiheit, mehr Fairness
Ordnungspolitik braucht starke Nerven. In einem Interview mit der F.A.Z. habe ich mich gegen ein Verbot des Versandhandels mit Arzneimitteln ausgesprochen. Und für faire Bedingungen, damit sich stationäre Apotheken im Wettbewerb besser behaupten können. Es war ein Thema am Rande. Aber aus diesen wenigen Sätzen wurde eine energische Kampagne der Lobby. Mein Bild des respektvollen und sachlichen Apothekers haben einige neue Brieffreunde zu relativieren versucht. Wer diese Debatte verfolgt, wird zukünftig über den Vorwurf lachen, die FDP sei eine Klientelpartei. Ich unterstreiche daher: Eine liberale Partei kann sich nicht für Einzelinteressen einsetzen, sondern nur für fairen Wettbewerb, damit am Ende die Kunden entscheiden. Was heißt das im konkreten Fall?
Apotheken sind ein unverzichtbarer Bestandteil unseres Gesundheitswesens. Sie gewährleisten traditionell eine flächendeckende Versorgung mit Medikamenten sowie die qualifizierte Beratung für Patientinnen und Patienten. Wenn wir einmal krank, alt oder gebrechlich sind, wollen wir uns auf diese exzellente Gesundheitsversorgung verlassen können. Es sollte uns deshalb auch künftig etwas wert sein.
Die Apotheker mussten sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten immer wieder veränderten politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen stellen. Das ist nicht immer leicht, zumal Pharmazeuten nicht vorrangig Kaufleute und Marketingexperten sind, sondern in erster Linie Angehörige eines Heilberufs, die uns als Patienten unabhängig und nicht zum eigenen Vorteil über „Risiken und Nebenwirkungen“ aufklären.
In Zeiten der Globalisierung, Digitalisierung und des demographischen Wandels hat sich viel verändert. Technische Innovationen und die Bedürfnisse von Kunden und Patienten werden die Transformation vieler Geschäftsmodelle und Branchen weiter vorantreiben. Mehr als ein Drittel der Deutschen bevorzugt heute den Einkauf von Medikamenten im Internet. Die Menschen haben ganz unterschiedliche Gründe dafür – die einen meiden grundsätzlich den stationären Handel und ordern auch im Alltag weitgehend alles online und mobil. Andere sind chronisch krank und schätzen die Online-Bestellung, mit der sie sich autonom mit den benötigten Medikamenten versorgen können. Dabei ist Beratung auch online oder per Telefon möglich und wird zunehmend in Anspruch genommen.
Aus heutiger Sicht muss man sagen: Die Zulassung des Versandhandels war ein richtiger Schritt. Wir sollten daran festhalten. Diskussionen über ein Verbot des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln gehen an der gesellschaftlichen Realität und den Wünschen der Menschen vorbei. Und auch wenn eine ältere Rechtsprechung ein Verbot als zulässig angesehen hatte, so sieht die juristische Beurteilung wahrscheinlich anders aus, wenn ein bisher schon erlaubter Versandhandel wieder eingeschränkt werden sollte. Der Wandel ist nicht aufzuhalten – und wir sollten es gar nicht versuchen.
Was fehlt, ist ein fairer Rahmen – gerade dann, wenn der Wettbewerb stürmischer wird. Während sich große Versandapotheken mit günstigen Preisen am Markt positionieren können, sind die Entwicklungsmöglichkeiten stationärer Apotheken erheblich beschränkt. Die Apotheke vor Ort ist einem regulatorischen Rahmen unterworfen, der viel Geld kostet und größtenteils Versandapotheken nicht abverlangt wird. Das muss sich ändern.
Mit einem fairen Wettbewerbsrahmen müssen die Apotheken vor Ort zukunftsträchtige Entwicklungsmöglichkeiten erhalten. Es kann nicht sein, dass im Zuge der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes ausländische Versandhändler die Apotheken in Deutschland ausbooten können, weil letztere einerseits vom Preiswettbewerb rechtlich ausgeschlossen sind, andererseits aber auch der Marktmacht ausländischer Versandapotheken nichts entgegensetzen können. Das Bundesgesundheitsministerium sollte Wege prüfen, etwa über die bestehenden Rahmenverträge mit den Krankenkassen, einen aggressiven Preiswettbewerb der ausländischen Anbieter einzuschränken. Immerhin haben diese das Rabattverbot im Arzneimittelgesetz freiwillig akzeptiert und wollen im System der gesetzlichen Krankenversicherung abrechnen.
Apotheken sollte zudem ermöglicht werden, als Shop im Shop in Einzelhandelsgeschäften Präsenz zu zeigen. Außerdem sollten sie ihr Sortiment um nicht gesundheitsspezifische Produkte erweitern dürfen, wenn gewünscht. Diese Vorschläge hat die Monopolkommission der Bundesregierung schon vor Jahren unterbreitet. Diese Liberalisierung ist überfällig. Möglich ist zudem, dass Apotheker vor Ort für die persönliche Ausgabe von Medikamenten und für spezifische pharmazeutischer Beratung und Dienstleistung eine zusätzliche Prämie durch die Kassen erhalten. Not- und Nachtdienste müssten besser honoriert und die Sicherstellung des Angebotes in dünn besiedelten Räumen finanziert werden.
Wir wissen: Viele wollen an den bestehenden Regeln festhalten oder gar den Wettbewerb wieder beschränken. Ja, wirtschaftliche Interessen der Etablierten muss man ernst nehmen. Genauso gibt es aber Menschen, die sich als Patienten und Kunden von einer Öffnung des Marktes und einer Weiterentwicklung (digitaler) Angebote gute Beratung, komfortablere Logistik und günstige Preise versprechen. Wir sollten die Interessen beider Seiten berücksichtigen – und Rahmenbedingungen schaffen, in denen ein differenziertes Angebot möglich ist. Denn eines habe ich aus der Korrespondenz mit vielen Apothekern gelernt: Es gibt auch in ihren Reihen wesentlich mehr Bereitschaft zur Veränderung, als es mancher Interessenvertreter glaubt.