Der neue Furor gegen das Auto
Sportwagen werden nicht gemacht, um Kinder aus der Schule abzuholen oder Brötchen beim Bäcker zu kaufen. Ihre Formen sind betörend, ihre Maschinengeräusche berauschend – nur aus Lust und aus Freude am technisch Machbaren. Und auf der anderen Seite: Wie viele Erinnerungen sind mit dem Boxermotor des Käfers verbunden? Wer das Auto dieser Tage klein macht zu einem bloßen Faktor von Mobilität oder Wirtschaftskraft, der verkennt seine kulturelle Bedeutung. Es ist Zeit für ein Plädoyer gegen die politische Korrektheit auf der Straße. Ja, Autofahren kann glücklich machen. Immer dann, wenn aus der Quälerei im Stau eine Verneigung vor der Ingenieurskunst oder ein historisches Nachsinnen wird – wenn aus der Reise von A nach B eine Fahrt von A nach A werden kann. Das gilt auch, wenn wir uns einfach daran freuen, dass es Modelle gibt, die wir bestaunen können, aber kaum je selbst fahren werden. Warum sollten wir uns diese Freude nehmen lassen?
Gegenwärtig wird auf Initiative der Grünen die „Verkehrswende“ diskutiert. Die Energiewende ist bereits eine beschlossene Sache. Ihr globaler Nutzen ist mindestens so lange fragwürdig, wie unsere Energieversorgung nicht sicher und bezahlbar ist. Die realen Kosten hat eine aktuelle Studie beziffert – 520 Milliarden Euro werden die Verbraucher bis 2025 gezahlt haben. Dennoch sind wir weiter auf die Braunkohle angewiesen. Denn im industriellen Maßstab funktioniert die Energiewende bislang noch nicht. Zur beginnenden Deindustrialisierung unseres Landes trägt sie deshalb entscheidend bei.
Nun richtet sich ein neuer Furor gegen das Auto. Nach 2030 sollen keine neuen Autos mehr mit Verbrennungsmotor zugelassen werden – das Ende des Golf GTI. Die Klimapolitik der Grünen ist damit auf dem besten Weg, sich endgültig vom gesunden Menschenverstand zu verabschieden. Denn ein rasches und generelles Verbot von Benzin- und Dieselmotoren ist ökonomisch schädlich, ökologisch fragwürdig und praktisch unmöglich. Mehr noch: Dem nur wenige Hundert Kilometer im Jahr bewegten Technologie-Träger mit Verbrennungsmotor aus Stuttgart, München, Ingolstadt oder Maranello die Zulassung zu verweigern, hilft dem Weltklima nicht – führt aber zu einer kulturellen Verarmung.
Die Automobilindustrie ist gemessen am Umsatz der mit Abstand bedeutendste Industriezweig Deutschlands. Sie sichert rund 790.000 Arbeitsplätze und steuert etwa ein Drittel zu den gesamtwirtschaftlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung bei. Wer mit leichtfertigen Verboten einer Schlüsselindustrie unseres Landes die wirtschaftliche Basis entziehen will, gefährdet nicht nur den Lebensunterhalt von vielen Tausend Beschäftigten und ihren Familien, sondern auch die Zukunftsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland. Denn andere auf der Welt können und werden unserem Beispiel nicht einfach folgen. Das sollte durch die Energiewende jeder gelernt haben, dem es nicht um pure Ideologie geht.
Selbst wenn 2030 bei uns nur noch Elektrofahrzeuge zugelassen würden, heißt das nicht, dass diese auch emissionsfrei betrieben werden. Denn der Strom in Deutschland wird noch über Jahrzehnte aus Kohle- und Gaskraftwerken gewonnen. Je nachdem, wie der Energiemix 2030 aussieht, hat der hocheffiziente Verbrennungsmotor dann möglicherweise sogar eine bessere Klimabilanz. Und durch den Einsatz von synthetischen Kraftstoffen kann der Verbrennungsmotor mittel- und langfristig sogar klimaneutral funktionieren. Angesichts der rasanten technologischen Entwicklung ist es geradezu vermessen, wenn selbst Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt den Verbrennungsmotor als Übergangstechnologie abtut. Die Transformation der Mobilität erfasst unzählige Glieder der Wertschöpfungskette, enorme logistische und technische Herausforderungen sind damit verbunden. Vor einem neuen Mega-Projekt kann man nur warnen.
Das Warnen beginnt bei der Produktion von hochleistungsfähigen Batterien. Die Herstellung von Batterien benötigt „seltene Erden“, die genau das sind, was der Begriff sagt: selten und endlich. Zudem liegen fast alle Vorkommen in Ländern, die entweder von kriegerischen Auseinandersetzungen oder aber von nicht demokratischen Systemen geprägt sind. Es droht eine immense Abhängigkeit. Alternative Rohstoffe für die Erstellung von Batterien sind derzeit nicht im industriell nötigen Umfang verfügbar und auf ihre Zuverlässigkeit ausreichend getestet. Von den damit verbundenen Mehrkosten ganz abgesehen.
Das Warnen setzt sich fort bei der Stromversorgung und der nötigen Ladeinfrastruktur. Nicht nur der Flächenbedarf, sondern auch die Leitungswege produzieren Kosten. Und schaffen neue Probleme. Die aktuellen Schwierigkeiten bei der Realisierung von Stromtrassen liefern einen Vorgeschmack. Wie soll für die Ladeinfrastruktur eine bezahlbare Versorgungssicherheit gewährleistet werden? Überall und jederzeit? Wir reden nicht über einige Teslas, sondern über dann rasch 10, 20 oder 40 Millionen Fahrzeuge. Wie wird sichergestellt, dass weder Vandalismus noch Verfügbarkeit eine flächendeckende Versorgung beeinträchtigen? Nicht jeder wird über eine eigene Garage verfügen, sondern muss bei Nacht im Zweifel weite Wege zurücklegen, um sein Fahrzeug für den kommenden Morgen einsatzfähig zu machen. Hotels müssen in ihrer Tiefgarage, Parkhäuser an jedem Stellplatz Ladeinfrastruktur vorhalten. Wer kommt für diese Kosten auf?
Das Warnen setzt sich im laufenden Betrieb fort. Die Erkenntnisse von Samsung haben deutlich gezeigt, dass plötzlich ein vermeintliches sicheres Produkt in hohem Grade gefährlich sein kann. Ein Kurzschluss während der Fahrt, eine unsachgemäße Bedienung – wer übernimmt die Haftung? Das Warnen geht weiter am Ende des Lebenszyklus. Was passiert mit den Batterien, wenn das Fahrzeug ausgemustert wird? Batterien sind Sondermüll mit erheblichen Risiken. Werden diese dann wie ausgemusterte Computer nach Afrika geliefert?
Bei so viel Unsicherheitsfaktoren, bei so vielen Interdependenzen und ungeklärter Zuverlässigkeit wäre es töricht, allein auf eine einzige Technologie zu setzen. Es stellt sich vielmehr die Frage, mit welchen Antriebstechniken und Kraftstoffen in Zukunft Fahrzeuge betrieben werden. Ist der vollelektrische Antrieb überhaupt die effizienteste und praktikabelste Form – oder wird sich die Wasserstoff-, Hybrid- oder Brennstoffzellentechnologie durchsetzen? Das wird man nicht dadurch ermitteln, dass der Staat eine bestimmte Antriebstechnologie im nationalen Alleingang komplett verbietet und die andere mit mehreren Hundert Millionen Euro subventioniert – wie etwa für unsinnige Kaufprämien für Elektroautos. Es bleibt dann auch keine Nische mehr für das Besondere. Was folgt als Nächstes – das Verbot bereits zugelassener Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor? Werden wir am Ende auch den Adenauer-Mercedes nie mehr auf der Straße sehen können?
Innovation lässt sich nur sehr bedingt durch den Staat diktieren. Staatliche Planungseuphorie kostet Geld und verstellt experimentelle Alternativen. Auch das ist eine Lehre der anti-marktwirtschaftlichen Energiewende in Deutschland, der selbst vom Weltklimarat die höchsten Kosten bei der CO2-Vermeidung attestiert werden. Fortschritt wird hingegen befördert, wenn Forscher und Entwickler gute Rahmenbedingungen und technologieoffene Förderprogramme vorfinden. Deshalb passt es nicht in unsere freiheitliche Wirtschaftsordnung, den Verbrauchern vorzuschreiben, mit welchen Fahrzeugen sie sich fortbewegen. Die traditionsreiche deutsche Automobilbranche darf nicht auch noch den grünen Deindustrialisierungs-Fantasien zum Opfer fallen.
Es geht um individuelle Entscheidungen. Wer weiß, in einer nicht fernen Zukunft werden leidenschaftliche Autofahrer wie ich im Alltag Mobilitätskonzepte mit autonomem und CO2-neutralem Individualverkehr in Kombination mit öffentlichen Verkehrsträgern nutzen. Oder Reisen durch Online-Konferenzen gleich ganz reduzieren. Um am Sonntag dennoch ein paar Kilometer mit dem ganz klassisch befeuerten Objekt der Begierde zu machen. Per saldo wird das ökologisch von Vorteil sein – ohne uns Entwicklungsmöglichkeiten und Freude zu nehmen.